Zukunft der Kunststofftragetaschen und Mineralölrückstände in Lebensmitteln – Parteien äußern sich zu aktuellen Verpackungsthemen
Exklusiv für die Portale verpackungswirtschaft.de und c2-magazines.com haben wir die Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 zu zwei der aktuell am heißesten diskutierten Themen der Verpackungsbranche befragt. Antworten erhielten wir von allen derzeit im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne). Die Anfragen bei FDP und AfD blieben bis dato unbeantwortet.
Frage 1: Europaweit landen jährlich viele Millionen Kunststofftragetaschen („Plastiktüten“) im Abfall und enden schließlich in den Meeren, wo sie ganze „Müllteppiche“ bilden. Meeresvögel verenden, Algen und Bakterien breiten sich aus. Am 1. Juli 2016 hat die französische Regierung leichte Kunststofftragetaschen u.a. deshalb verboten. Seit Anfang 2017 sind dort auch Kunststoffbeutel für Obst und Gemüse untersagt. Sind die Regelungen in Deutschland, die bislang überwiegend auf freiwilliger Basis stattfinden, ausreichend, oder würde Ihre Partei ein strikteres Vorgehen wie z.B. in Frankreich begrüßen?
CDU/CSU: Das Plastikmüll-Problem in Gewässern nehmen wir sehr ernst. Mindestens 270.000 Tonnen Plastikmüll schwimmen nach Schätzungen von 2013 auf den Weltmeeren. Mikropartikel aus Kunststoff bilden ein spezielles Problem: im Trinkwasser, in unseren Flüssen und Seen bis hin zu den Meeren. Wir wollen einen Verzicht auf Mikropartikel aus Kunststoff in Pflege- und Kosmetikartikeln erreichen. Ein Forschungsprogramm von zehn europäischen Staaten soll Erkenntnisse zur Wirkung auf die Meeresökologie gewinnen. Denn die biologischen Auswirkungen sind noch kaum bekannt. Auch die G20-Staaten haben sich verpflichtet, Abfälle in Flüssen und Abwasser zu verringern und damit für weniger Müll im Meer zu sorgen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Vermüllung durch Plastiktüten in Deutschland ein geringeres Problem. Durch die freiwillige Selbstverpflichtung des Handels ist der Pro-Kopf-Verbrauch im letzten Jahr von 68 auf 45 Stück deutlich gesunken. Dennoch kann der Verbrauch auch in Deutschland weiter reduziert werden. Zudem wird der weit überwiegende Teil der Kunststoffe hierzulande über funktionierende Recyclingsysteme umweltverträglich entsorgt.
SPD: Die SPD will den Gebrauch von Plastiktüten auf ein Mindestmaß reduzieren. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Plastiktüten spart Ressourcen und schützt die Umwelt. Ein Großteil des Handels hat sich bereits verpflichtet, Kunststofftragetaschen nur noch gegen ein Entgelt abzugeben. Wir werden genau hinschauen, wie gut die Vereinbarung umgesetzt wird. Sollte sich zeigen, dass die freiwillige Vereinbarung nicht wirkt, um den Gebrauch von Plastiktüten entscheidend zu senken, werden wir darauf hinwirken, diese durch eine ordnungsrechtliche Maßnahme zu ersetzen.
DIE LINKE: Die Vereinbarung des Bundesumweltministeriums mit dem Handel vom April 2016 gehen uns nicht weit genug. DIE LINKE erachtet eine Reduktion des Verbrauches von Plastiktüten für dringend erforderlich. Dies ist aus Gründen des Umweltschutzes und des Ressourcenverbrauches notwendig. Allerdings greift eine alleinige Betrachtung von Plastiktüten zu kurz, es müssen alle Kunststoffverpackungen berücksichtigt werden. DIE LINKE schlägt vor, eine generelle Ressourcenverbrauchsabgabe auf Primärressourcen einzuführen, die Recycling und Wiederverwendung fördert. Daher erachten wir eine Kombination von Beschränkungen (Verboten) von Kunststoffverpackungen und finanziellen Zusatzbelastungen für Kunststoffverpackungen (auch Plastiktüten) für notwendig. Verbote sind auszusprechen, wenn es umweltfreundliche Verpackungsalternativen gibt. In den anderen Fällen sind Verbrauchsabgaben zu erheben, die einen Anreiz bieten, alternative Verpackungen zu entwickeln und einzusetzen und die es ermöglichen, die durch Kunststoffverpackungen verursachten Umweltschäden abzumildern.
B‘90/DIE GRÜNEN: Wir werten den Start der freiwilligen Selbstverpflichtung durchaus als Erfolg. Doch noch sind die Ziele nicht erreicht. Dass aber neben der kostenpflichtigen Abgabe insbesondere die Mengen reduziert wurden, stimmt uns positiv. Es bleibt abzuwarten, ob das Ziel, dass bis 2018 mindestens 80% der gehandelten Tüten nur noch gegen ein Entgelt abgegeben werden, erreicht wird. Als positiv begrüßen wir auch die Maßnahmen der großen Einzelhändler, komplett auf Einwegtragetaschen aus Kunststoffen zu verzichten und auch entsprechend Verbraucheraufklärung mit zu leisten. Trotz dieser Erfolge muss die Entwicklung weiter gehen. Ziel muss eine weitere Verringerung dieser Abfälle sein und dass alle mitmachen. Falls das nicht funktioniert, müssen entsprechende Verpflichtungen verbindlich gemacht werden.
Frage 2: Vor einigen Wochen untersuchte das Magazin Öko-Test Schokoladen auf Bestandteile, die in den Produkten nichts zu suchen haben. Erneut wurden dabei in 39 von 40 getesteten Schokoladenprodukten Mineralölspuren in z.T. erheblichen Ausmaßen gefunden. Für einen Teil der Verunreinigungen wird nach wie vor das Verpackungsmaterial verantwortlich gemacht – allerdings treten Verunreinigungen z.B. auch schon beim Transport der Kakaobohnen in Jutesäcken auf. Die Hersteller – auch von anderen betroffenen Lebensmitteln – rechtfertigen sich häufig damit, dass es nach wie vor keine gesetzlichen Höchstwerte für die Verunreinigungen mit Mineralölen (MOSH/POSH und MOAH) gibt. Ist Ihre Partei für die Einführung solcher Höchstwerte und welche Verantwortung sehen Sie hier bei der Verpackungsindustrie?
CDU/CSU: Jeder soll in Deutschland darauf vertrauen können, dass die von ihm gekauften Produkte und Lebensmittel sicher sind. Deutschland hat sehr hohe Standards, dafür treten wir auch künftig ein. Um die Verbraucher vor Mineralöl in Lebensmitteln zu schützen, erarbeitet das unionsgeführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) deshalb derzeit eine Verordnung, in der der Übergang dieser Substanzen in Lebensmittel geregelt werden soll. Im Entwurf zur Mineralölverordnung werden funktionelle Barrieren gefordert, die einen Übergang der Mineralölrückstände aus Altpapierverpackungen auf darin verpackte Lebensmittel wirksam verhindert werden sollen. Hersteller sollen demnach Lebensmittel in Innenbeutel verpacken oder mit Folien an der Innenseite der Verpackung einen direkten Kontakt von Karton und Lebensmittel unterbinden.
SPD: Ja, wir sind für die Einführung von Höchstwerten für die Verunreinigung von Lebensmitteln mit Mineralölen. Dabei reichen Grenzwerte für die Migration von Mineralöl aus Altpapierverpackungen nicht aus. Wir brauchen Höchstwerte für die Lebensmittel selbst. So können wir Kontaminationen unabhängig der Quelle reduzieren. Darüber hinaus brauchen wir ein Gesamtkonzept zur Minimierung von Schadstoffübergängen von Verpackungen auf Lebensmittel, denn die Liste unerwünschter Stoffe ist lang. Auch die Verpackungsindustrie ist in der Pflicht, ihr Innovationspotenzial zu nutzen, um in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelwirtschaft Verpackungen zu entwickeln, die den Schadstoffübergang so weit wie möglich begrenzen.
DIE LINKE: Die Einführung von Grenzwerten für Mineralölrückstände in Lebensmitteln unterstützt DIE LINKE. Bei der Beurteilung der Verantwortung der Verpackungsindustrie sind wir – wie alle anderen auch - auf die allgemein bekannte Studienlage und Monitoringergebnisse des BfR sowie auf EU-Ebene angewiesen. Demnach ist davon auszugehen, dass die Absenkung der Belastungen durch gezielte Vorgaben bei der Nutzung von Druckerfarben für Recyclingpapier ebenso beitragen muss wie Vorgaben an die Ernte- und Weiterverarbeitungsprozesse, Lagerung und auch an die Verpackungsindustrie.
B‘90/DIE GRÜNEN: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor gesundheitsschädlichen Mineralölrückständen in Lebensmitteln geschützt werden – egal, ob die Quelle der Verunreinigung die Lebensmittelverpackung selbst, Umverpackungen während Lagerung oder Transport oder Produktionsprozesse sind. Daher sprechen wir uns für gesetzliche Regelungen aus, die sowohl giftige Farben aus dem Papierkreislauf eliminieren und einen Anreiz bieten, auf mineralölfreie Druckfarben umzusteigen, als auch Grenzwerte für Mineralöle in Lebensmitteln festzulegen. Die bereits erzielten Verbesserungen beispielsweise durch wirksame Barriereschichten zeigen, dass es möglich ist, die Belastung in Lebensmitteln wirksam zu senken. Diese Entwicklung muss durch gesetzliche Regelungen weiter verfolgt werden.